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Schülerfeedback: Der Blick in den Spiegel

Gestern war Abschlusszeugnisvergabe in der Höheren Handelsschule. Die meisten meiner Schüler haben es geschafft, ich mochte sie sehr gerne, eine freundliche Klasse, einige auch sehr fleißig, viele wirklich interessierte Schüler.

 

Da standen wir so auf der Bühne, die Lehrer auf der einen Seite, die Schüler auf der anderen, guckten uns in die Augen, ein letztes Mal und dann entschwanden sie in viele Richtungen auf ihren privaten und beruflichen Lebenswegen.

 

Ein Abschied. Für mich ohne Blumenstrauß. Also ich meine, ich habe keinen Blumenstrauß bekommen, obwohl viele andere Lehrerinnen einen bekommen haben. Da fragt man sich dann natürlich: Was machen die anderen, was ich nicht mache? Was mache ich, das die anderen nicht machen? Gute Frage, nicht wahr?

 

Nun kenne ich mich natürlich mit 51 Jahren schon ein bisschen besser und weiß folgendes über mich:

  • Ich meine es gut mit den Schüler/innen.
  • Ich bin nicht immer geduldig. Manchmal werde ich ungeduldig, wenn sie gar nicht ruhig werden z.B.
  • Ich strenge mich sehr an, damit sie die Prüfung schaffen, bereite sie gut vor, bringe ihnen viele Zusatzaufgaben mit.
  • Zwinge sie mitunter auch, diese zu machen. Mit Druck.
  • Erwarte, dass meine Schüler ihre Schulkarriere so wichtig nehmen wie ich es tue.
  • Manchmal werde ich ärgerlich. Das verheimliche ich nicht. Ich möchte dabei eigentlich immer sachlich bleiben und vom Ton ganz ruhig. Das gelingt mir nicht immer.
  • Ich arbeite viel. Mache Extra-Stunden zu Weihnachten. Mit einer Magischen Wand aus Unterrichtsthemen.
  • Lasse kein Abhängen im Unterricht zu.
  • Auch keine Handys.

Ist es das? Ich bin nicht immer ruhig und ausgeglichen und ich zwinge die Schüler/innen zum Lernen - auch gegen ihren Willen. Denn ich gehe davon aus, dass sie es ernst meinen, dass sie hier sind.

 

Ich werde das nur herausfinden, wenn ich sie befrage.

 

Also habe ich mich - wie bei uns an der Schule gewünscht - dieses Jahr wieder aufgemacht und zwei Klassen zu ihrer Meinung bezüglich meines Unterrichts befragt. Wir nutzen dazu Sefu-Online, das ist praktisch, kostenlos und die Auswertung erfolgt sofort digital. Manche Lehrer verwenden allerdings auch selbst erstellte Fragebogen, die dann besser auf die Klassen und unsere spezielle Klientel zugeschnitten sind.

 

Das Ergebnis war völlig unterschiedlich ...

 

Die einen Schüler wünschten sich mehr Struktur und Tafelbilder und weniger Selbsterarbeitung und fanden meinen Unterricht eher nicht interessant. Immerhin vermerkten sie positiv, dass ich Achtung vor meinen Schülern habe und meine Leistungsbeurteilung gerecht sei. Allerdings vermerkten sie auch auf dem Fragebogen, dass sie selbst immer vorbereitet seien und sich an Ordnungs- und Verhaltensregeln halten.

 

Diese Klasse ist sehr prüfungsorientiert, für sie dient der Unterricht hauptsächlich als Prüfungsvorbereitung für die IHK-Prüfung. Sie haben deutlich gesagt, dass sie Themen, die nicht prüfungsrelevant sind, nicht behandeln wollen, selbst dann nicht, wenn sie praxisrelevant sind. In meiner Wahrnehmung macht nur ein ganz kleiner Teil die Prüfungsaufgaben, die ich nach Themenabschluss als Hausaufgaben für die nächste Woche mitgebe.

 

In meiner eigenen Klasse sagen 100%, dass ich mich für mein Unterrichtsfach interessiere und an die 75% der Schüler interessieren sich ebenfalls dafür. Sie fanden meinen Unterricht auch in hohem Maße verständlich und meine Erwartungen klar. Lions Quest wurde gelobt und die Atmophäre im Unterricht, was mich sehr gefreut hat. Jemand hat geschrieben "Sie ist die richtige Mischung aus Mutti und Lehrerin" - sehr süß.

 

Aber natürlich kann man sich nur weiterentwickeln, wenn auch kritische Dinge geäußert werden: Hier wünscht man sich mehr Medieneinsatz, ein gleichmäßigeres Lerntempo und dass ich bei den Meldungen die rechte Seite der Klasse mehr berücksichtige.

 

Man kann es nicht jedem recht machen, na klar. Und mit der einen Klasse harmoniert man besser als mit der anderen. Aber man kann aus jeder Befragung etwas entnehmen. Besonders, wenn man sie auch mit den Schüler/innen bespricht. Das werde ich noch tun. Vermutlich allerdings erst nach den Sommerferien und dann können wir mit den neuen Erkenntnissen auch neu starten.

 

Ich finde es nicht einfach mich auf eine kritsiche Beurteilung meines Unterrichts einzulassen. Ich weiß nicht so genau, womit das zusammenhängt. In der Wirtschaft ist es Ganz und Gäbe, dass die Kunden befragt werden, was ihnen gefällt und was nicht und dass ein ständiger Verbesserungsprozess Unternehmensziel ist. Ich hoffe einfach mal, dass es normaler für mich wird, wenn ich es öfters mache.

 

Allerdings würde ich mir auch mehr Anerkennung wünschen. Der Lehrerberuf ist in der Gesellschaft schlecht angesehen. Morgens recht und nachmittags frei und solche Sprüche kursieren immer noch zuhauf. Es gibt immer weniger Menschen, die Lehrer werden wollen, sie halten den Job für zu herausfordernd, haben Angst, niemals frei zu haben und befürchten, dass auch die Schüler immer schwieriger werden.

 

Es ist wahr, dass die Schülerschaft sich wandelt. Wie sie es immer getan hat. Wir müssen uns mit anderen Problemen auseinandersetzen, als es unsere Väter und Großväter mussten. Daran führt kein Weg vorbei. Aber ist es nicht so, dass uns das auch jung hält, wir ein bisschen am Puls der Zeit bleiben? Wir immer neu über eine sich wandelnde Gesellschaft nachdenken dürfen?

 

Der Feedbackbogen gibt uns eine Möglichkeit ins Gespräch zu kommen. Wir müssen nicht alles annehmen, was die Schüler uns rückmelden. Und wir dürfen ihnen auch Rückmeldungen zu ihrem Feedback geben. Aber den ein oder anderen Impuls können wir aufnehmen.

 

In diesem Sinne eine schöne Woche

eure Ute Matthias

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