· 

Wähle deinen Status: König oder Bettler?

Gerade bin ich völlig begeistert vom Thema Improtheater/Theaterpädagogik, meine Co-Moderatorin Heike Harten hat mich dafür gewonnen. Und in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen heute ein Buch vorstellen, von dem ich in meinem Lehrerinnen-Dasein sehr profitiert habe: "Spielend" unterrichten und Kommunikation gestalten - mit schauspielerischen Mitteln für Unterricht begeistern - von Maike Plath.

 

"Normaler" Dialog zwischen Schüler und Lehrerin

"Mann, Lukas, nun hör doch mal auf mit der Quatscherei und mach dich endlich an die Arbeit."

 

"Mann, Frau Matthias, sind Sie heute mit dem linken Fuß aufgestanden?"

 

"Nein, Lukas, keineswegs. Lass solche bescheuerten Bemerkungen und mach jetzt das, was ich dir sage, sonst kannst du das Klassenzimmer verlassen und im Trainingsraum weiterarbeiten."

 

"Ist mir doch egal. Ist sowieso total langweilig Ihr Unterricht. Da chille ich doch lieber im Trainingsraum vor mich hin. Kann ich gehen?"

 

[...]

 

Dies ist ein fiktiver Dialog, aber er ist gar nicht so abwegig. Qua Amt sind wir Lehrer im Hochstatus und den versuchen wir in der Regel mit allen Mitteln zu verteidigen. Allerdings wird das zunehmend schwerer, da der Hochstatus nicht mehr in dem Maße akzeptiert wird, wie das in meiner Kinder- und Jugendzeit (also so in den 70er und 80er Jahren) und natürlich in den Jahrzehnten davor, der Fall war. Wir sind nicht mehr Herr und Gebieter - oder Frau und Gebieterin, nur weil wir vorne stehen, eine Brille aufhaben und die Noten geben. Damit müssen wir uns abfinden und im Sinne einer selbst denkenden Gesellschaft ist das ja auch gut so. Allerdings macht es unsere Arbeit vordergründig erst mal schwieriger.

 

Was ist denn jetzt mit Status gemeint?

Im Improwiki finden wir folgende Erklärung: "Status bezeichnet beim Improvisationstheater das Machtgefälle in der Beziehung zwischen zwei Bühnenfiguren. Eine Figur im Hochstatus verhält sich dominant gegenüber einer Figur im Tiefstatus. Eine Figur im Tiefstatus ordnet sich der Person im Hochstatus unter, passt ihr Handeln an deren Vorgaben an. Der momentane Status der Figuren zueinander ist erkennbar an Körpersprache, Handlungen und Sprechweise der Spieler."

 

Was passiert im obigen Dialog?

Ich zeige typisches Lehrerverhalten und sage Lukas, was er tun soll, nämlich aufhören mit der Unterhaltung mit seinem Banknachbarn und sich der Arbeit im Unterricht zuwenden. Lukas empfindet das als Hochstatusverhalten, fühlt sich dominiert und versucht nun automatisch meinen Hochstatus zu kippen und damit seinen (Tief)Status zu verbessern. Ich fühle mich persönlich angegriffen und verteidige meinen Hochstatus nach dem Motto: "Das werden wir ja sehen, wer hier am längeren Hebel sitzt ..." und drohe ihm einen Verweis aus dem Klassenzimmer an. Bevor es für ihn zum Gesichtsverlust vor der Klasse kommt, sagt er mir lieber, dass er gerne freiwillig geht, weil ich sowieso langweiligen Unterricht mache. Und bewegt damit die Statuswippe wieder in seine Richtung nach oben.

 

Wie sieht die Lösung aus?

"Lehrer sind dann am erfolgreichsten, wenn sie Statuswechsler sind", sagt Maike Plath. Wenn wir die Kunst erlernen in jeder beliebigen Situation bewusst den Status zu spielen, der es möglich macht, die Situation zu unseren eigenen Gunsten zu steuern (sinngemäß S. 40f), dann können wir viel flexibler mit "schwierigen" Situationen umgehen und vor allem sparen wir viel Energie. Zudem stärkt unser Verhalten die Beziehung zu den Schüler/innen, was den Unterricht für beide Seiten einfacher macht.

 

"Diejenigen Schüler, die am wenigsten Aufmerksamkeit durch gute Leistungen erreichen können, stören am meisten. Denn diese Störungen entstehen in der Absicht, den Status des Lehrers herabsetzen und dadurch den eigenen Status innerhalb der Gruppe zu heben." [...] "Die Statuswippe: Aufgabe der Lehrkraft ist es also, den niedrigen inneren Status des störenden Schülers zu heben. Die [...] Leitung muss also aus einer inneren Hochstatushaltung heraus dem störenden Schüler tief begegnen, um dessen inneren Status zu heben. Die Lehrkraft geht im Status runter, dadurch geht der Schüler im Status hoch." (Zitat von Website)

 

Indikatoren für den Status

Im Buch finden sich viele Möglichkeiten, sich mit dem Thema Status näher vertraut zu machen. Als sehr hilfreich habe ich die kleine Einführung auf S. 41 empfunden, die mir zusammengefasst Folgendes sagt:

Im Hochstatus bin ich, wenn ich - gleich wie der König auf der Bühne - langsame und ruhige Bewegungen mache, ruhig spreche, den Raum einnehme und entspannt durchschreite. Im Tiefstatus bin ich - gleich dem Diener - eher hektisch, hibble herum, spreche zu laut oder zu leise, gehe leicht geduckt und mache insgesamt den Eindruck im Raum nicht zuhause zu sein. Später lerne ich noch dazu, dass Lächeln und Kopf neigen ebenfalls zum Tiefstatus gehören. Auch das Zugeben eigener Fehler und Unzulänglichkeiten gehört in diese Kategorie.

 

Und nicht das Erlernen der durchgängigen Hochstatus-Haltung sollte mein Ziel sein, sondern das adäquate Spielen mit dem Status, je nach Situation.

 

"Besonders bedeutsam ist dabei unsere Fähigkeit, bewusst Tiefstatus zu spielen - und dabei vor allem die Kunst, uns dies zuzutrauen. Denn Tiefstatus kann nur der wirkungsvoll einsetzen, der sich menschlich im Hochstatus empfindet, was gleichbedeutend ist mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen." (ebenda S. 49)

 

Szenen-Replay

"Lukas, du scheinst wichtige Dinge mit Görkem zu besprechen zu haben. Allerdings fühle ich mich wirklich in meinem Unterricht gestört und möchte dich bitten damit aufzuhören." Ich zeige eine entspannte freundliche Miene.

 

Vermutlich wird Lukas jetzt gar nicht mit seiner vorherigen Antwort kommen, wenn aber doch:

 

"Stimmt Lukas. Ich bin erst mit dem linken, dann mit dem rechten Fuß aufgestanden. Oder warte mal, war es vielleicht anders herum? Erst mit dem rechten, dann mit dem linken? Mensch, Lukas, wenn ich das noch wüsste. Aber warum ist das denn wichtig für dich, mit welchem Bein ich aufgestanden bin?" Gespielter Tiefstatus mit dem Ziel, den Schüler zu amüsieren und damit wieder für den Unterricht zu gewinnen.

 

Vermutlich wird Lukas jetzt nicht darauf zu sprechen kommen, dass er meinen Unterricht langweilig findet, aber wenn doch:

 

"Lukas, du wünschst dir also unterhaltsameren Unterricht. Mach doch bitte einen Vorschlag, wie das konkret ablaufen könnte oder übernimm auch gerne heute den Unterricht an meiner Stelle." Sollte der Schüler das wollen, dann natürlich bitte auch machen lassen.

 

Das sind nur meine bescheidenen Ideen, nachdem ich das Buch gelesen habe. Bestimmt nicht perfekt, aber vielleicht ein Anfang.

 

Habe ich Sie neugierig gemacht?

Dann kaufen Sie es oder leihen Sie es, aber lesen Sie es.

 

"Bücher sind Bienen, die lebenzeugenden Blütenstaub von einem Geist zum anderen tragen" (James Russell Lowell).

 

Mehr erfahren

Maike Platz hat eine Website auf der sie bloggt, leitet das Institut ACT, wo sie unter anderem Workshops zum Thema Status anbietet, und ist auch mit Redemalordentlich auf youtube zu sehen. Es gibt also jede Menge Möglichkeiten, sich näher über das Thema und die Person zu informieren.

 

Ich hoffe, ich konnte heute ein paar neue Ideen in Ihrem Kopf installieren. Das Wissen über den Status ist eines, das sicher nicht nur Bedeutung für die Schule hat. Auch an anderen Arbeitsplätzen finden selbstverständlich Statuskämpfe statt. Werden Sie Experte und gehen Sie mal anders damit um!

 

In diesem Sinne ein schönes Wochenende und herzliche Grüße

Ihre Ute Matthias

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Anja Schepers (Freitag, 24 Januar 2020 23:49)

    Toller Tipp!!! Das passt perfekt zu mir!!! ��

  • #2

    Ute (Samstag, 25 Januar 2020)

    Das freut mich sehr, Anja!