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Schüler*innen-Coaching: Hilfe bei Lernschwierigkeiten

Der Bedarf an Coaching/Beratung nimmt zu

Noch nie hatte ich so viele Schüler*innen in der Beratung/Coaching wie aktuell. Und meinen Kollegen*innen geht es genauso. Die Probleme sind unterschiedlich, auch wenn es sich meist unter dem Thema Lernschwierigkeiten subsummieren lässt.

 

Schüler*innen ernst nehmen

Tatsächlich wird das hier ein Plädoyer dafür, sich die Zeit zu nehmen, Schüler*innen mit Lernschwierigkeiten zuzuhören und ihre Probleme ernst zu nehmen. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, denn wir haben den Stoff "durch den wir irgendwie kommen müssen" und tausend Verwaltungsaufgaben darüber hinaus.

 

Ich kann mir selbst nicht erklären, warum die Probleme dermaßen zugenommen haben in der letzten Zeit. Aber es hilft ja nicht. Global lassen sie sich leider nicht lösen. Kann man sich die Zeit nicht extra nehmen - so wie ich als Beratungslehrerin - dann bleibt einem nichts anderes übrig, als die Zeit vom Unterricht "wegzunehmen".

 

Wann können wir die Schüler*innen ansprechen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es eine Möglichkeit ist, in Still- oder Partnerarbeitsphasen einzeln mit den Schüler*innen zu sprechen, die entweder bereits angegeben haben, dass sie Probleme haben beim Lernen oder aber deren Leistungen dieses bereits gezeigt haben. Im Zuge des zunehmend selbst gesteuerten Lernens entstehen mehr Phasen, die dazu genutzt werden können. 

 

Ich nutze auch die Sominotengespräche für das Ansprechen von Problemen. Wenn man einzeln mit den Schüler*innen spricht (ohne Zuhörer), dann kommen meist die Hintergründe zu Tage. Ich wundere mich oft, wie lange die Lernschwierigkeiten schon bestehen und warum nicht schon mal früher ein Lehrer/eine Lehrerin gefragt hat, woran denn die schlechten Noten liegen - wir sind jetzt immerhin in der Sekundarstufe II angekommen. Aber ich schätze, den Kollegen*innen geht es ebenso wie uns: Unterricht und Verwaltungsaufgaben lasten uns so aus, dass wir oft keine Kraft mehr haben, uns um einzelne Schüler*innen zu kümmern. Obwohl das eigentlich unsere Aufgabe ist.

 

Wann sollen wir uns noch um Schwierigkeiten kümmern?

Mir ist das alles bewusst: Dass wir viel zu viel zu tun haben, vor der Schule, nach der Schule, während des Unterrichts und in den Pausen. Es ist nur so, dass wenn wir uns die Zeit für die Probleme der Schüler*innen nicht nehmen, wir zwar mit dem Stoff durchkommen, die Schüler*innen jedoch nicht. Und mit einem offenen Ohr gestaltet sich auch die Beziehung zu den Schüler*innen einfacher und es wird danach besser gelernt.

 

Dabei bin ich niemand, der für alle Schwierigkeiten Verständnis hat.

 

Beispiele aus meinem Erfahrungsbereich: 

  1. Der Schülerin, die wegen mangelnder Motivation zu mir kommt, mache ich freundlich, aber deutlich klar, dass der einzige Mensch, der dafür sorgen kann, dass Motivation "in sie hineinkommt" sie selbst ist. Nämlich dann, wenn sie darüber nachdenkt, warum sie hier (also in der Schule) ist, was ihr Ziel dabei ist, und welchen Beitrag sie leisten will, um dieses Ziel zu erreichen. Ich habe sie das konkret niederschreiben lassen in der Zeit nach dem 1. Gespräch und ihr gesagt, dass die das 2. Gespräch erst dann bekommt, wenn sie diese Aufgabe gelöst hat. Dass ich ihr nur helfen kann, wenn sie sich auch selbst hilft. 
  2. Der Schülerin, die sagt, sie kann nicht lernen, sage ich, dass das nicht möglich ist, solange sie keinen nachgewiesenen Gehirndefekt hat. Ich lasse mir erläutern, wie in der Vergangenheit gelernt wurde und wo sich vielleicht doch kleine Erfolge eingestellt haben. Wenn man so genau nachfragt, dann ist es so gut wie sicher, dass doch einiges gesammelt werden kann, was schon mal erfolgreich war und vertieft werden kann. Das kann bei der einen Schülerin sein, dass sie sich einzelne Begriffe überhaupt nicht merken kann; wenn man die Begriffe aber in Texte kleidet, sie sehr wohl in der Lage ist, das Thema zu erfassen und wiederzugeben. Tja, dann muss sie halt beim Vokabellernen eine Geschichte schreiben, in der die Vokabeln vorkommen.
  3. Oder der junge Mann, der super tolle Mitarbeitsbeiträge bringt, aber schriftlich große Schwierigkeiten hat auf einen grünen Zweig zu kommen. Der versteht den Stoff nicht, wenn er ihn alleine vor sich ausbreitet und durchliest oder Karteikarten schreibt. Aber er versteht ihn, wenn er ihn anderen erklären kann. Also gründet er eine kleine Lerngruppe und so können sogar noch einige andere von seinem Wissen profitieren. Vorher hat er gesagt, ich habe schon alles versucht, schriftlich kann ich einfach nicht. Ich habe ihm die selbsterfüllende Prophezeiung erklärt. Wenn ich glaube, ich kanns nicht, dann wird es auch so sein. Also ändere deine Einstellung. 

 

Eines ist ganz wichtig: Die Schüler*innen müssen erkennen, dass sie bedeutsam für uns sind. Dass wir uns für sie interessieren.

 

Die Chemie stimmt halt nicht immer

Ja, das fällt mir manchmal auch schwer. Und es gelingt mir nicht immer. Es ist menschlich, dass manche Schüler*innen uns sympathischer sind als andere. Wir sind ja keine Heiligen. 

 

Aber signalisieren: Du kannst mit mir reden, wenn du ein Problem hast und ich nehme es ernst, das können wir immer. Nicht immer sofort. Nicht immer im Unterricht. Für die Plaudertasche stecken wir ein Zeitfenster.

 

Und wir können nicht jedes Problem lösen, natürlich nicht. Aber oft reicht es dem Schüler/der Schülerin mal mit jemandem gemeinsam drauf zu schauen. Oft finden sie dann selbst Lösungen. 

 

Externe Beratungsstellen können weiterhelfen

Und wenn wir das Problem kennen und dennoch gemeinsam keine Lösung finden, dann können wir ja andere ins Boot holen: Beratungslehrer*innen, Schulsozialarbeiter*innen, den schulpsychologischen Dienst, ProMädchen usw. Natürlich nur nach Rücksprache und mit Genehmigung der Schüler*innen. 

 

In vielen Familien gibt es keine Ansprechpartner*innen mehr. Aus den verschiedensten Gründen, die ich gar nicht bewerten möchte. Und dann sind wir Lehrer*innen vielleicht die einzige erwachsene Person, die sonst verfügbar ist. 

 

Lassen Sie uns also noch besser hinhören. Das ist meiner Meinung nach die beste Hilfe bei Lernschwierigkeiten. 

 

Und mein Wunsch an die Politik ist:

Gebt uns dafür Zeit. Das ist viel wichtiger als viele Inhalte, die wir vermitteln sollen und als viele Verwaltungsaufgaben, die wir immer gehäufter am Hals haben. 

 

Mit herzlichen Grüßen an alle

Ihre Ute Matthias

 

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