
Gute Texte schreiben - Tipp 4 - Wiederholungen
Heute habe ich einen Artikel über den amerikanischen Präsidenten Trump gelesen und musste schmunzeln: Journalisten achten sehr darauf, ein Wort nicht mehrfach zu verwenden, sondern immer wieder Synonyme zu benutzen. Sie wechseln ab und schreiben dann auch Donald Trump, der Republikaner, der Mann aus Florida und er selbst bezeichnet sich als "The chosen one" ;-).
Jetzt kommen Texte von mir ... mit schlechten und mit guten Wiederholungen. Beides ist möglich.
Version 1 (einfach so aus der "Feder" gelaufen, vor der Überarbeitung)
Ich hatte schon lange diesen Traum: einmal mit dem Camper die Atlantikküste entlangzufahren. Es war ein Wunsch, der immer wieder in meinem Kopf auftauchte, ein Traum, den ich immer wieder geträumt habe. Und dann, an einem dieser hellen Nachmittage an der Côte d'Azur, saß ich im Liegestuhl und suchte schon wieder nach dem nächsten Urlaub. Mein Mann verdrehte die Augen. Ich mache das immer: Während wir noch im Urlaub sind, plane ich schon den nächsten. Er sagt dann jedes Mal: "Kannst du nicht einfach mal genießen, was gerade da ist?" Aber ich fand tatsächlich ein passendes Angebot. Wir schrieben ein paar Nachrichten hin und her, die Leute wohnten gleich bei uns zuhause um die Ecke. Und so habe ich - mitten im Urlaub - alles für den nächsten Sommer klargemacht.
Version 2 (überarbeitet, Wiederholungen bewusst vermieden)
Schon lange träumte ich davon, mit dem Camper die Atlantikküste entlangzufahren. An der Côte d'Azur, an einem dieser leuchtenden Nachmittage, saß ich im Liegestuhl und durchforstete Campingportale - auf der Suche nach dem passenden Gefährt. Typisch für mich: Noch mitten im Urlaub, und ich plane schon den nächsten. Mein Mann schüttelte den Kopf: "Genieß doch erstmal, was du gerade hast", sagt er dann gern.
Trotzdem fand ich ein gutes Angebot. Die Vermieter wohnten zufällig ganz in der Nähe von uns zuhause und nach ein paar Nachrichten hin und her war alles geregelt - noch während ich unter südlicher Sonne saß.
Version 3 (mit absichtsvoller Wiederholung)
Ich hatte diesen Traum.
Diesen einen Traum: einmal mit dem Camper die Atlantikküste runter.
Nicht fliegen, nicht buchen, nicht hetzen - nur rollen.
Rollen, halten, bleiben.
Und da saß ich also, Côte d'Azur, Liegestuhl, Laptop auf den Knien.
Ich suchte - natürlich suchte ich.
Ich suche immer, wenn ich eigentlich entspannen sollte.
Mein Mann verdreht die Augen: "Genieß doch mal den Moment."
Aber ich bin schon im Nächsten.
Im Nächsten Urlaub. Im nächsten Plan. Im nächsten Traum.
Ich fand etwas. Ich schrieb. Sie schrieben zurück.
Alles passte. Alles fügte sich. Noch unter Palmen war das nächste Jahr beschlossen.
Welche Wirkung willst du erzielen?
Der erste Text ist wie ein Tagebucheintrag. Das macht ihn glaubwürdig und der Zugang ist einfach, aber er ist ein wenig eintönig und teilweise langatmig. Der zweite Text hat etwas mehr Pepp, ist kompakter und vermeidet Wortwiederholungen. Der Fokus liegt auf der Handlung und der konkreten Situation. Der dritte Ansatz ist kreativer und betont das Thema des Traums und der Sehnsucht. Diese Version spielt mit Form und Stil, um eine emotionale Resonanz zu erzeugen. Er liegt sicherlich nicht jedem und passt auch nicht in alle Erzählungen.
Teste einmal alle drei Versionen, indem du zunächst einfach einen Text schreibst ohne Nachdenken, ohne Überlegen, einfach so, wie die Worte in deinen Kopf kommen. Und im zweiten Schritt schreibst du ihn um, verdichtest ihn ein wenig und nimmst Synonyme für die Wortwiederholungen. In der dritten Version spielst du mit den Wiederholungen.
Verwende für die dritte Version:
Anaphern: Ich hatte diesen Traum. Diesen einen Traum ... betont das Motiv emotional und rhythmisch.
Wortwiederholungen mit Variation: Im Nächsten Urlaub. Im nächsten Plan. Im nächsten Traum.
Parallelismen: Nicht fliegen, nicht buchen, nicht hetzen - nur rollen. - Rollen, halten, bleiben.
Stilistisch bewusst einfache, klare Sätze, die sich wiederholen, wirken nach. Wie ein innerer Monolog oder ein Tagebucheintrag mit Melodie.
Schreibimpuls
Beginne damit von einem Traum oder Wunsch zu erzählen, den du schon lange hegst.
Ich wünsche dir viel Freude mit deiner kleinen Schreibübung - und wer weiß, vielleicht hilft sie ja auch, dem Wunsch die richtige Stärke zu verleihen, damit er umgesetzt werden kann?
Herzliche Grüße
Ihre Ute Matthias
P.S. Noch ein sehr berühmtes Beispiel, das du vielleicht kennst?
MARTIN LUTHER KING JR. – "I HAVE A DREAM"
„I have a dream that one day this nation will rise up and live out the true meaning of its creed: 'We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal.'“
„I have a dream that one day on the red hills of Georgia, the sons of former slaves and the sons of former slave owners will be able to sit down together at the table of brotherhood.“
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