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Tipp 6: Schreiben mit allen Sinnen - damit der Text lebendig wird

Damals auf Kuba

Wir waren nur ein paar Minuten gegangen, die Straße war noch leer. Der Asphalt dampfte leicht von der nächtlichen Feuchtigkeit. Neben uns wuchs hohes Gras, irgendwo dahinter ein paar Palmen. Wir blieben stehen.

 

Der Himmel über dem Hanabanilla-See war wie hingetuscht – ein bisschen Blau, ein Hauch Rosa, ein Streifen Orange, der sich ins Helle verlor. Die Sonne ließ auf sich warten.

 

Ich zog das T-Shirt enger um mich, fröstelte. Viola trat einen Schritt näher an mich heran. Wir sagten nichts. Unsere Haut war kühl, unsere Gedanken warm.

 

Von fern klirrte irgendwo Metall – vielleicht wurde im Hotel das Frühstück vorbereitet. Aber hier war alles still. Ein Vogel begann zu singen, hoch, hell, fremd. Ein anderer antwortete.

 

Wir standen einfach da. Zwei junge Frauen mitten in Kuba, mitten in der Stille, mitten in einem neuen Tag.

 

Ich spürte den rauen Boden unter meinen Sandalen, den Luftzug am Nacken, das leichte Ziehen in den Waden vom Gehen. Ich roch feuchtes Gras, warme Erde, vielleicht sogar einen Hauch von Chlor aus der Ferne.

 

Und plötzlich war alles da: Vorfreude. Freiheit. Freundschaft. Lebenshunger – obwohl wir noch nüchtern waren.

 

Später würde es Frühstück geben. Diese kleinen kubanischen Bananen, die ich zu Hause nie mochte – aber hier schmeckten sie nach Sonne. [...]

 

Worum geht's?

Wenn du schreibst, denk daran: Leser*innen wollen erleben, nicht erklärt bekommen.

Nutze alle Sinne, um Erinnerungen lebendig werden zu lassen. Nicht: „Es war schön.“

Sondern

  • Was sahst du – genau, farbig, im Detail?
  • Was klang durch die Luft – laut oder leise?
  • Was hast du gespürt auf deiner Haut, in deinem Körper?
  • Was lag in der Luft, auf der Zunge?
  • Und was hast du nicht gesagt, aber gefühlt?

 

Schreibimpuls

Erinnere dich an einen Morgen an einem unbekannten Ort. Was hat dich überrascht? Was hast du gesehen, gehört, gerochen? Wie hast du dich bewegt? Schreib diesen Moment mit allen Sinnen auf – nicht erklärend, sondern erlebend. So, dass man mit dir mitgeht.

 

Ich wünsche Ihnen viel Freude mit diesem Impuls und Ihrem Text und grüße Sie herzlich

Ute Matthias