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Vom Umgang mit Mandarinen werfenden Schülern

"Wenn Sie eine Mandarine an die Tafel werfen während ich dort schreibe, bin ich erschrocken und enttäuscht, weil ich das Bedürfnis habe mit Ihnen voran zu kommen, damit Sie Ihre Prüfung schaffen. Ich bitte Sie, keine Mandarinen mehr an die Tafel zu werfen!"

 

Schweigen im Walde. 24 Augenpaare aus der Gymnasialen Oberstufe gucken mich an. Ich lese Überraschung, Betretenheit und sogar Verständnis. Der Klassensprecher zeigt auf: "Tut uns leid, Frau Matthias. Wir wollten Sie nicht enttäuschen."

 

Die Schüler* sind in der Schülerrolle und da ärgert man einfach auch mal den Lehrer. Der Lehrer ist in der Lehrerrolle und würde sich normalerweise in so einem Augenblick langsam umdrehen, die Schüler fixieren und dann mit drohendem Unterton fragen: "Wer war das?", Subtext "das finde ich heraus und dann hat es Konsequenzen!"

 

Wenn man sich ärgert, muss das raus. Wenn man enttäuscht ist auch. Psychohygiene ist das. Doch Vorwurf erzeugt Vorwurf und so findet man sich schnell in einer Abwärtsspirale.

 

Ich spreche hier von mir. Von meinen Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen. Das ist nicht normaler Schulalltag. Das ist überraschend.

 

Alle unter euch, die die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg (GfK) kennen, wissen, was ich gemacht habe. Ich habe eine Ich-Botschaft gesendet. Diese gliedert sich in vier Teile:

  1. Meine Beobachtung ... ohne Beurteilung und Bewertung (Hilfe: Was hätte eine Kamera aufgezeichnet?)
    • Wenn Sie eine Mandarine an die Tafel werfen ...
  2. Meine Gefühle ... wenn ich die Beobachtung mache.
    • bin ich erschrocken und enttäuscht ...
  3. Mein Bedürfnis ... das hinter diesen Gefühlen steckt.
    • weil ich das Bedürfnis habe mit Ihnen voranzukommen ... (nach Fortschritt)
  4. Meine Bitte ..., um das Bedürfnis zu befriedigen (so konkret wie möglich).
    • Ich bitte Sie, keine Mandarinen mehr an die Tafel zu werfen ... oder:
    • nicht mit Dingen zu werfen, während ich an der Tafel schreibe.

Marshall B. Rosenberg geht davon aus, dass jedem Handeln ein Beddürfnis zugrunde liegt.

 

Welche Bedürfnisse hatten meine Schüler?

  • Vielleicht war ihnen einfach langweilig und sie wollten ein bisschen Ablenkung haben.
  • Vielleicht wollten sie mir signalisieren, dass sie dem Thema, das ich gerade erkläre, nicht folgen können?
  • Vielleicht ging es nur um eine Machtprobe unter Schülern? Wer ist mutig genug die Mandarine nach vorne zu werfen?

Man weiß es nicht. Deshalb spreche ich von mir!

 

Noch zwei Kostproben:

  • Manuela, Sie kommen heute zum 2. Mal in dieser Woche zu spät zu meinem Unterricht (1). Ich bin darüber ärgerlich (2), weil ich meinen Unterricht gerne in Ruhe und ohne Störung durchführen will (3). Ich bitte Sie, ab morgen pünktlich zu meinem Unterricht zu erscheinen (4).
  • Bastian und Günter, wenn ich sehe und höre, dass Sie sich miteinander unterhalten während ich einen komplizierten Zusammenhang erkläre (1), dann fühle ich mich wütend und frustriert (2), weil ich das Bedürfnis habe in Ruhe zu erklären und ihren Klassenkameraden das ungestörte Zuhören zu ermöglichen (3). Ich bitte Sie, Ihren Mund zu schließen und mitzudenken (4).

Klar, das fällt einem in der Situation nicht unbedingt ein, die Sätze sind - vor allem am Anfang - etwas sperrig. Aber man kann sie sich ja auch schon zuhause zurecht legen, man kennt ja die klassischen Situationen, die auf einen zukommen können.

 

Die GfK ist kein Allheilmittel. Aber sie ist eine Möglichkeit von der es sich lohnt, sie einmal auszuprobieren. Jeder Mensch hat den Wunsch nach Kooperation, sagt Marshall B. Rosenberg, auch Schüler, die mit Mandarinen werfen.

 

Wenn ich sehe, dass Sie interessiert diesen Artikel über GfK lesen, dann freue ich mich, denn ich habe das Bedürfnis das Wissen über die GfK zu teilen. Ich bitte Sie, gleich einen eigenen Satz zu formulieren, der zu einer Ihrer Schulsituationen passt. Heute schreiben, Montag ausprobieren.

 

Und da ja bald Weihnachten ist - hier habe ich etwas Hübsches gefunden: Ein GfK-Adventskalender zum Üben.

 

Oder wie wäre es mit einem Weihnachtsgeschenk an sich selbst: Ein GfK-Kurs? Angebote gibt es genug.

 

In diesem Sinne wünsche ich euch/Ihnen einen schönen 1. Advent und freue mich über Kommentare zu Ihren Erfahrungen, was die GfK betrifft.

 

Herzliche Grüße

eure Ute Matthias

 

*heute verwende ich den Begriff Schüler und Lehrer für die männlichen und weiblichen Menschen, die darunter fallen. Dies geschieht nur aus Gründen des Leseflusses und ich möchte betonen, dass damit keinerlei Diskriminierung verbunden ist.

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