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Durchführung einer Klassenarbeit: Achtung Spickeralarm!

Rückgabe einer Klassenarbeit in Klasse 5. Meiner Klasse 5. Also, die Klasse, in der ich selbst Schülerin war.

 

 Lehrer: "Ich habe zwei Klassenarbeiten von Susanne K. und keine von Ute ..."

 

Da hatte ich tatsächlich von meiner Freundin Susanne den Namen abgeschrieben, ja kein Witz. Ich war so aufgeregt in meiner ersten Klassenarbeit in der weiterführenden Schule und so unsicher, dass ich eigentlich unentwegt zu meiner Freundin rüberschielte aus Angst, etwas falsch zu machen. Und so schrieb ich auch ihren Namen am Anfang der Klausur ab. Die Lehrerin bestrafte mich nicht. Warum weiß ich nicht mehr.

 

Wenn ich heute selbst Klassenarbeiten durchführe, dann bin ich aufs Spicken vorbereitet. Ich erzähle den Schüler/innen vorher, welches meine Spickmethoden waren (ich war nicht immer so dämlich wie in der 5. Klasse) und ich erzähle ihnen auch, dass ich mich regelmäßig im Internet über aktuelle Spickmethoden informiere.

 

Vorbeugen ist besser als heilen

 

Nach meiner Erfahrung sind abschreiben vom Sitznachbarn und Handynutzung die häufigsten Spickmethoden. Diese beiden lassen sich leicht ausschließen: Wenn man vorher einen möglichst großen Raum beantragt, dann kann man die Schüler/innen weitgehend einzeln setzen, das macht viel weniger Stress. Viele Schulen haben inzwischen auch Einzeltische, dann kann man zwischen jedem Tischchen ein wenig Platz lassen. Zur Not besorgt man sogenannte "Trenner", auch "Mobiler Sichtschutz" genannt und stellt sie zwischen die Schüler/innen. Hier muss man jedoch acht geben, denn sie haben eine breite Unterseite und hierunter lassen sich wunderbar Spickzettel verstecken. Außerdem neigen die Schüler/innen dazu, die Sichtblenden nach hinten zu schieben, dann kann man vorne vorbei gucken.

 

Handys kommen am besten schon vor Beginn der Klassenarbeit in den Handyhafen. Der Handyhafen ist einfach eine Kiste, in die die Schüler/innen ihre Handys legen. Vor einigen Jahren hat mir unsere Sozialpädagogin einmal erzählt, dass sie an einer anderen Schule zu Beginn des Schuljahres immer einen Handyhafen mit den Schüler/innen gebastelt haben. Das war eine Pappkiste mit einzelnen Fächern, an denen der Name des Schülers/der Schülerin stand und der dann auch noch nett beklebt werden konnte und in diese Pappkiste kamen die Handys zu Beginn jeder Stunde, nicht nur zur Klassenarbeit. Wär auch mal was für den Kunstunterricht, oder? Und welch herrliche Stunde, in der ich nicht alle 10 Minuten sagen muss: Kevin, steck bitte das Handy weg! - Welches Handy? - Das unter Ihrem Tisch! - Da ist kein Handy! - Kevin, wenn Sie kein Handy unter dem Tisch hatten, dann möchte ich nicht wissen, was Sie sonst unter dem Tisch gemacht haben.

 

Achten Sie darauf, dass die Schüler/innen heutzutage mitunter zwei Handys haben und werden Sie auch aufmerksam, wenn man Ihnen ein besonders altes Handy hinlegt.

 

Ein zusätzliches Handyrisiko besteht, wenn nicht alle Schüler/innen zur Klausur anwesend sind. Irgendjemand macht sicher ein Foto von der Klassenarbeit, sodass man sie nicht für die Nachschreiber verwenden kann, auch nicht in leicht abgewandelter Form.

 

Abschreiben im Nachhinein entdeckt

 

In den letzten Jahren habe ich auch mehrfach den Fall erlebt, dass Schüler/innen, die nicht nebeneinander saßen exakt dieselbe Klausurlösung abgegeben haben mit haarsträubenden Fehlern, die genau gleich waren ... da liegt es dann nahe, dass einer ein Foto verschickt hat an den anderen.

 

Es ist generell ein Problem, wenn man erst im Nachhinein entdeckt, dass die Schüler/innen abgeschrieben haben. Da man seine Schüler/innen ja kennt, hat man vermutlich einen Verdacht, wer von wem abgeschrieben hat. Am besten konfrontiert man die Schüler/innen dann mit den identischen Klassenarbeiten und stellt sie zur Rede. Man kann hoffen, dass der Abschreiber einknickt. Es ist nicht erlaubt demjenigen, der abschreiben lässt eine 6 zu geben, evt. kann man sich auf den Anscheinbeweis beziehen. Die pragmatische (und damit meine) Lösung ist es in diesem Fall, beide Schüler/innen zu einem Nachschreibetermin zu bestellen.

 

Sonderfall: Nachschreiben alleine in einem Raum

 

Früher war das ganz unproblematisch. Wenn ein einzelner Schüler nachschreiben musste, dann steckte man ihn einfach in einen leeren Raum neben dem, in dem man Unterricht hatte (wenn möglich) und ließ ihn in Ruhe nachschreiben. Tasche und Jacke blieben natürlich im Unterrichtsraum. Diese Variante funktioniert in Zeiten diverser technologischer Spickmöglichkeiten leider nicht mehr.

 

Klar machen, was als Täuschungsversuch gilt und wie damit umgegangen wird

 

Ich finde es wichtig, dass die Schüler/innen wissen, was auf sie zukommt, wenn sie spicken. Ich rufe ihnen daher ins Gedächtnis, dass die Klassenarbeit eine Einzelaufgabe ist (keine Partner-, keine Gruppenarbeit) ... Was? Wieso? Warum? rufen sie dann ... und sage ihnen was passiert.

 

"Meine Damen und Herren, sollten Sie sich doch dazu hinreißen lassen, abzuschreiben oder zu spicken oder sonst irgendwelche Täschungsversuche zu unternehmen, muss ich Ihnen die Klassenarbeit leider abnehmen. Was sehr bedauerlich wäre. Denn vielleicht wissen Sie ja viel mehr als ihr Spicker. Die Bewertung hängt von der Schwere des Täuschungsversuchs ab. Kann ich nicht mehr erkennen, welches Gedankengut von Ihnen stammt und welches von Ihrem Nachbarn oder anderen Hilfsmitteln, so muss ich Ihre Arbeit leider mit 6 bewerten."

 

Auch der Lehrerfreund empfiehlt an dieser Stelle "Martialische Drohungen ausstoßen!"

 

Ansagen, was die Schüler/innen bei Fragen machen sollen (Lehrer ist abgelenkt)

 

Zu Beginn einer Klausur ist es auch sehr wichtig, dass Sie klarstellen, wie die Schüler/innen mit Fragen zur Klausur umzugehen sollen. Wenn Sie Pech haben, latscht alle 5 Minuten ein Schüler zu Ihnen nach vorne und fragt: "Was meinen Sie mit dieser Frage?", dabei stellt er sich so vor Sie hin, dass Sie andere Schüler/innen nicht mehr im Blick haben. Ein anderer brüllt quer durch den Raum: "Aber das, was da in Aufgabe 6 steht, das hatten wir noch gar nicht!" - alle Schüler/innen blicken auf und rufen sofort "Stimmt. Das ist voll fies. Das haben Sie gar nicht erklärt!" Andererseits können Sie auch nicht sagen: "Behaltet eure Fragen für euch, wir haben das alles behandelt. Wenn ihr es nicht versteht, habt ihr einfach nicht gelernt." Und deshalb sage ich: "Wenn Sie eine Frage haben, dann heben Sie bitte den Finger und warten Sie, bis ich bei Ihnen bin."

 

Manchmal habe ich tatsächlich etwas vergessen oder übersehen. Dann schreibe ich das an die Tafel und unterbreche die Schüler/innen kurz mit einem Hinweis.

 

Was ist mit dem Klogang?

 

Kaum hat die Klausur begonnen, muss Melina aufs Klo. Eventuell zu ihrem dort deponierte Zweithandy oder zu einer beschrifteten Klopapierrolle. Sollen Sie sich gehen lassen? Klar, lassen Sie sie gehen, sie kann ja nicht in die Hose machen. Es ist verboten, einem Prüfling den Toilettengang zu verwehren. Ich lasse die Schüler/innen allerdings nicht gleichzeitig zur Toilette (und Absprache) gehen, sondern führe eine Tafelliste, wenn mehrere gehen wollen. Sie dürfen auch nicht zu den Pausenzeiten gehen, sollte die Arbeit über mehrere Stunden gehen und bevor ein Schüler die Klassenarbeit abgibt, frage ich noch einmal, ob jemand zur Toilette möchte, denn danach ist Schluss. Man kann alternativ die Schüler/innen auch alle dabehalten und ihnen eine Aufgabe geben bis zum Ende der Stunde. In der Regel ergibt sich dieses Problem aber nur bei einer Klausur, die mehrere Stunden dauert.

 

Das Wandern ist des Müllers Lust

 

Tja, was mache ich während einer Klausur? Hauptsächlich: Management by wandering around. Sicherste Spickverhinderung überhaupt. Klausuren korrigiere ich nur dann, wenn eine zweite Aufsicht da ist und ich mich mit dieser abwechseln kann. Oder wenn die Klausur so gestellt ist, dass man nicht abschreiben kann ohne dass es auffällt. Aber ehrlich gesagt, ich mache das auch von der Situation und der Klasse abhängig. Klar möchte ich eigene Gedanken der Schüler/innen abprüfen, aber ich bin auch nicht päpstlicher als der Papst.

 

Fragen so stellen, dass man nicht gut abschreiben kann

 

.. das ist auch eine entlastende Alternative. Offene Fragen mit eigener Meinung z.B. lassen sich nicht gut abschreiben, ohne dass es auffällt. Schwierig ist es auch, wenn der Lösungsweg erklärt werden muss. Wenn man selbst etwas entwickeln soll, das so noch nicht behandelt wurde. Und am einfachsten ist Abschreiben bei Multiple Choice. Außer man ändert ab und zu die Reihenfolge der Antworten innerhalb der Fragen (hihi).

 

Echt lustige Täuschungsversuche

 

Man lernt ja nie aus, oder? Eine regelmäßige Internetrecherche ist hilfreich beim Beobachten des Wandels der Spickmethoden. Diese hier fand ich super:  Der-perfekte-spickzettel - vor allem erst die detaillierte Beschreibung und dann der Hinweis, dass Lernen doch die bessere Alternative ist, da Spicken Stress verursacht. Bei youtube findet man auch diverse Anleitungen. Mich hat am meisten beeindruckt: Das Scannen von Lebensmittelaufklebern z.B. bei Plastikflaschen, dann wird der Text durch den Spicktext ersetzt und das Etikett wieder aufgeklebt. Und: Vertonung des Lernstoffs auf MP3-Player und abhören mit Kopfhörern unter der Kapuze mit Kabel in Hoddyfarbe ... mein lieber Herr Gesangsverein ...

 

Bewertung von Klassenarbeiten mit Täschungsversuch

 

Die Schulgesetze der Länder (Beispiel: NRW Sek I) legen fest, wie mit Täuschungsversuchen umzugehen ist. In der Regel liegt es im Ermessen des Lehrers, wie er die Schwere des Täschungsversuchs einschätzt. Zum Beispiel kann er dem Schüler die Klassenarbeit wegnehmen und bewerten, was  der Schüler bis zum Entdecken des Spickzettels hingekriegt hat. Es geht darum, einzuschätzen, was der Schüler/die Schülerin ohne Hilfsmittel geleistet hätte. Beim Abschreiben vom Sitznachbarn ist das sehr schwierig und  wenn der Täschungsversuch umfangreich ist (beim Smartphone oder dem MP3-Player wohl anzunehmen), dann ist auch eine 6 gerechtfertigt. Ist es dem Lehrer nicht möglich, den Umfang wirklich einzuschätzen, bietet sich eine Wiederholen der Klausur für die "Täuscher" an.

 

Referat zum Thema spicken

 

Ein wirklicher Volltreffer ist mir vor einigen Jahren in der GOST gelungen: Da haben sich Schüler/innen als Präsentationsthema freiwillig das Thema Spicken ausgesucht. Da war ich erst mal wieder eine Weile echt up-to-date, was das Thema anbelangt. Kann ich zum Nachahmen nur empfehlen.

 

Je älter der Schüler, desto wahrscheinlicher das Spicken, das fanden Wissenschaftlicher von der Universität Leipzig heraus. Und ich bin an einem Berufskolleg ... also "Adlerauge sei wachsam!"

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine schöne Woche. Und wenn Sie auch interessante, lustige oder auch ärgerliche Spickmethoden kennen oder Geschichten dazu parat haben, immer heraus damit!

 

Herzliche Grüße

 

eure Ute Matthias

 

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