Liebe Leute, in meinem Kopf bildet sich gerade ein Gedankenknäuel. Ich bin - wie es sich für eine ordentliche Bloggerin gehört - erst mal durchs Netz gegangen, um zu sehen, was andere Menschen so für Tipps zur Erleichterung von Klassenarbeitskorrekturen auf Lager haben. Will ja nichts schreiben, was schon 5x da ist, gell?
Und gerade bin ich auf einen Artikel gestoßen, der sagt im Prinzip Folgendes: Wenn du, Lehrer, nicht gerne korrigierst, hey, dann überleg mal, ob du vielleicht deinen Beruf verfehlt hast?! Da ist mir aber doch ein bisschen der Hut hochgegangen, muss ich sagen.
Stimmt, ich bin Lehrerin, die nicht gerne korrigiert. Ich vermute, dass ich dieses Schicksal mit einigen anderen meiner Gattung teile. Ich glaube jedoch nicht, dass mich das direkt zu einer schlechten Lehrerin macht. Oder dass ich darüber nachdenken sollte, deshalb meinen Beruf zu wechseln. Ja, mir ist bewusst, dass andere Berufe auch Routineaufgaben mit sich bringen und diese sich weniger beklagen - naja vielleicht. Vielleicht stehen sie aber auch nur weniger in der Öffentlichkeit. Ja, die Klassenarbeit gibt mir Rückmeldung, wie viel von dem Lernstoff die Schüler/innen verstanden haben. Und ja, meine Bewertung gibt den Schüler/innen ein Feedback über ihre Leistungen. Deshalb schreibe ich auch Kommentare an den Rand. Manche Schüler lesen diese, andere nicht. Die Anregung des besagten Artikels ist: Schreib interessantere Kommentare oder füge Zeichnungen hinzu. Hey Leute bitte: Lehrer arbeiten nach einer neuen Studie der Universität Göttingen 48 Stunden pro Woche, also nichts mit vormittags Recht und nachmittags frei. Ich habe schlicht keine Kapazitäten mehr, um meine Kommentare auch noch zu illustrieren. Und als Pädagogin möchte ich auch, dass meine Schüler/innen lernen, Kommentare zu lesen. Die Welt der Schüler/innen besteht sowieso weitgehend aus Bildern, das Textverständnis ist abnehmend. Da möchte ich nicht noch einen Beitrag leisten.
Also: Mir macht's keinen Spaß, aber ich mache es mir so angenehm wie möglich! Und ich versuche so gerecht zu sein, wie es geht.
Dabei verfolge ich drei Prinzipien:
- Das Eisenhower-Prinzip - siehe oben (Kaffeebecher)
- Das Prinzip der guten Feedbackregel
- Im Zweifelsfall zugunsten des Schülers
Do important things now, before they become urgent
Eisenhower hat ein hübsches Schema entwickelt, das hinlänglich bekannt ist. Es besagt, dass es hilfreich ist, seine Aufgaben zu planen und einzuteilen mit Hilfe der zwei Eigenschaften "Wichtigkeit" und "Dringlichkeit". Ziel ist es, möglichst wenig Aufgaben zu haben, die sowohl wichtig als auch dringend sind (und das ist die Korrektur einer Klassenarbeit auf jeden Fall, wenn es Sonntag ist und Sie sie am Montag zurückgeben müssen), da diese Stress erzeugen und schlechte Laune machen. Und zu Konflikten führen. Angenommen es ist besagter Sonntag und mitten in der Korrektur kommt ihr Sohn mit einem heftig aufgeschlagenen Knie vom Fußball, das sofort ins Krankenhaus muss? Oder ihr Partner setzt sich Ihnen gegenüber an den Schreibtisch, macht ein ernstes Gesicht und sagt, dass er dringend mit Ihnen über Ihre Beziehung reden muss? Oder die Oma ruft an und bittet um Hilfe, weil sie aus dem Bett gefallen ist und selbst nicht mehr reinkommt? Schätze, Sie müssen dem Sohn helfen, dem Partner zuhören und die Oma wieder ins Bett transportieren, da hilft nichts. Und die Klassenarbeit bleibt liegen und Sie gehen am nächsten Morgen mit extrem schlechtem Gewissen in die Klasse, die dann auch verärgert ist.
Also Faustregel: Klassenarbeiten sollten innerhalb von zwei Wochen korrigiert und zurückgegeben werden, damit die Schüler/innen überhaupt noch wissen, worum es ging und Interesse an der Besprechung haben. Nach spätestens einer Woche sollten Sie die Korrektur einplanen. Und ausführen. Da ist sie wichtig, aber noch nicht dringend. Für diese Sorte Aufgaben empfiehlt Eisenhower: Termin setzen.
Wenn Sie generell zu viele wichtige und dringende Aufgaben haben, dann weist das darauf hin, dass Sie bei der Entwicklung Ihrer Planungskompetenz noch Luft nach oben haben. Der Artikel Aufgabensalat im Lehrerkopf könnte Ihnen helfen.
So angenehm wie möglich machen und Störungen ausschalten
Ich bin eine Lerche, also steht ich am Sonntagmorgen früher auf als gewohnt, wenn eine Korrektur ansteht, und setze mich sofort mit Kaffee an den Schreibtisch. Mein Schreibtisch ist ein schöner Ort mit Blick auf den Garten und auf die Felder in Essen-Kettwig, ich fühle mich dort wohl. Wer nicht so viel Glück hat, der kann zumindest ein paar Blumen in Sichtweite aufstellen, ein schönes Bild aufhängen, Klarheit im Raum schaffen, sodass das Auge sich dort ausruhen kann. Irgendetwas tun, damit der Raum ihm angenehm erscheint. Ich lasse den Rechner aus und das Handy oben im Wohnzimmer. Es gibt eine Untersuchung die besagt, dass man nach einer Unterbrechung durch E-Mail-Checken oder Handy gucken acht Minuten braucht, um wieder gedanklich voll konzentriert weiterarbeiten zu können. Die Handyguckerei kann richtig krank machen: Wir schauen täglich 88 Mal aufs Handy...
Hat man Kinder oder sonstige Mitbewohner, lohnt sich ein Schild an der Tür mit Sprechzeiten und Ruhezeiten, so wie wir das von Sekretariaten kennen. Dies ist ein Tipp, den ich in einem Burnout-Vorbeugungsseminar für Lehrer bekommen habe und den ich wirklich sehr gut finde. Man muss ihn selbst allerdings auch ganz streng einhalten und verteidigen. Wenn die Kinder sehr klein sind, geht das natürlich nicht. Wir sollten uns dann den Gefallen tun, dass wir die Betreuungszeiten mit dem Vater konkret absprechen oder uns regelmäßig einen Babysitter zu vorher abgesprochenen Zeiten leisten. Letzteres hilft auch, rechtzeitig anzufangen.
Ich kann übrigens auch sehr gut in der Schule in unserem Besprechungsraum korrigieren. Da gibt es so gut wie keine Ablenkung und ich bin frischer als am Nachmittag nach sechs bis acht Stunden Unterricht. Die zeitliche Begrenzung von 90 Minuten bis ich wieder Unterricht habe, ist ebenfalls hilfreich, um voranzukommen.
Das Prinzip der guten Feedbackregel
Ich beschäftige mich im Moment mit dem Thema Feedback aus rein egoistischen Gründen: Ich muss eine Lehrprobe halten. Das Thema ist Feedback, das dem anderen nützt aus meiner Lions Quest Reihe "Erwachsen Handeln". In der Unterrichtssequenz der Lions geht es vor allem darum, dass wir in Deutschland so wenig positives Feedback geben, eher gewohnt sind zu kritisieren als zu loben. Aber es geht auch darum, ein kritisches Feedback angemessen zu formulieren.
Beides lässt sich gut auf das Thema Klassenarbeitskorrektur anwenden: Ich bemühe mich besonders die positiven Dinge einer Klausur hervorzuheben, schreibe also "gute Zusammenfassung", "gut strukturiert" und "prima Argumentation" an den Rand, manchmal auch ein Smiley. Bei Kritik schreibe ich anstelle von "unvollständig" lieber hin, was mir fehlt und bei "trifft nicht den Punkt" ergänze ich, was denn der Punkt ist.
Bei MC-Klausuren ist es ja schwieriger ein Feedback zu geben. Aber ich merke bei der Korrektur, welche Aufgaben von vielen Schüler/innen falsch beantwortet werden. Dann ergänze ich meinen Lösungsbogen, den ich den Schüler/innen später verteile um Anmerkungen, Vertiefungen zu den Themen, bei denen sie offenbar noch Schwierigkeiten hatten.
Von allen Tugenden die schwerste, ist die Gerechtigkeit ...
das wusste schon Franz Grillpanzer (Hofkonzipist und Burgtheaterdichter, 1791 - 1872).
Die vollkommen korrekte Punktverteilung ist (außer bei MC) eine Sache, die kaum gelingen kann. Man kann sich ihr nach meiner Erfahrung nähern, wenn man
- mit einem Erwartungshorizont arbeitet, den man sowieso anfertigen sollte, siehe Klassenarbeiten vorbereiten,
- quer korrigiert, d.h. zuerst alle 1. Aufgaben, dann alle 2. usw. Man kann sich so viel besser erinnern, was die anderen Schüler/innen geschrieben haben,
- sich beim Korrigieren gute Antworten aufschreibt. Und den Namen des Schülers/der Schülerin dazu, das ist auch beim Besprechen der Klassenarbeit hilfreich.
Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Wochen im Ref am Berufskolleg in Ratingen. Mein Fachleiter für Informatik war an meiner Schule und nahm mich auch gleich mit in seinen Unterricht. Die erste Aufgabe, die er mir zuteilte, war die Korrektur einer Klassenarbeit, die er gestellt hatte zum Thema Projektplanung - Netzplan. Ich wollte alles ganz gut machen und gleich einen sehr guten ersten Eindruck hinterlassen, wie das im Ref ja üblich ist. Ich korrigierte tagelang, denn Netzpläne haben die Tücke, dass es viele Folgefehler gibt, wenn man anfänglich Rechenfehler macht. Ich habe alles nachgerechnet ... Nachher hat er mich sehr gelobt, aber wir haben auch darüber gesprochen, wie viel Perfektionismus in einer Klassenarbeitskorrektur denn sein muss.
Im Zweifelsfall zugunsten des Schülers
Es kommt vor, dass Schüler/innen einer Klasse eine Frage fast geschlossen nicht beantworten können. Vor allem bei MC-Klassenarbeiten. Dann ist es an mir nachzudenken, ob ich das wirklich so behandelt habe. Wie ich in meinem Artikel zu den MC-Klassenarbeiten schon erwähnt habe, sind die Antworten oft sehr detailreich und mitunter auch spitzfindig. Wenn ich herausfinde, dass ich diese Tiefe im Unterricht vielleicht nicht erreicht habe und die Aufgabe für die Schüler/innen auch nicht erschließbar war, dann streiche ich sie einfach. Handelt es sich um eine offene Frage, überlege ich, ob sie einfach eine zu große Herausforderung war oder ob die Schüler/innen schlichtweg nicht gelernt haben. Man kennt ja seine Pappenheimer. Letztens hatte ich eine Klassenarbeit aus der Höheren Handelsschule, wo der Prozess des gerichtlichen Mahnverfahrens beschrieben werden musste, was höchstens drei Schüler/innen lösen konnten. Da ich wusste, dass ich diesen Prozess als Kopie verteilt und besprochen hatte, konnte ich also davon ausgehen, dass er nicht gelernt worden ist. Da kenne ich dann keine Gnade. In einem anderen Fall habe ich im Großhandel nach Lösungen suchen lassen für unsere Rentenproblematik. Da waren die Schüler/innen überfordert, sind es doch auch unsere Politiker. Dann streiche ich die Aufgabe. Manchmal genügt es auch, die Punktzahl herabzusetzen.
Ich benutze bei der Berechnung der Noten eine Excel-Tabelle, die mir für jede Aufgabe eine Note ausgibt und auch den Mittelwert der Aufgabe. Das finde ich ungemein hilfreich, um zu sehen, welche Aufgaben wie gelöst wurden und wo noch Besprechungsbedarf besteht. Auch kann ich daraus sehen, welche Schüler/innen in welchem Bereich stark oder schwach sind. Ich sende Ihnen meine Excel-Tabelle gegen eine Anmeldung im Newsletter gerne zu, kurze Mail an ute.matthias@matthias-coaching.de genügt. Allerdings muss man sich ein bisschen mit Excel auskennen, um die Tabelle an unterschiedliche Aufgabenmengen anpassen zu können.
Als Notenschlüssel verwende ich grundsätzlich die Notenschlüssel der Abschlussprüfungen, d.h. im Berufsschulbereich den IHK-Schlüssel, im Wirtschaftsgymnasium den Abiturschlüssel und in der Höheren Handelsschule den Schlüssel für die Höha-Prüfungen. Meist gibt es in den Schulen aber Festlegungen, welcher Notenschlüssel wann benutzt werden muss.
Und am Schluss: Gönn dir was!
Eine richtig schöne Belohnung zum Abschluss der Korrektur, die man schon vorher gesetzt hat, beflügelt und ich finde, die hat man verdient. Meine Lieblingsbelohnungen sind:
- Einen Spaziergang machen (hoffentlich bald mit meinem Hund)
- Ein Treffen mit einer Freundin
- Eine halbe Stunde in einem Buch lesen
- Eine halbe Stunde in der Sonne liegen
- Eine Praline essen
- Ins Kino gehen
- Ein Schläfchen machen
- Ein schönes Musikstück hören
- Ein Mandala malen
- Eine Geschichte schreiben
- Eine private Mail schreiben
Ei, das ist ein hübscher Schluss, so positiv!
Herzliche Grüße
eure Ute
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