Wie komme ich auf das Thema?
Am letzten Sonntag habe ich auf youtube einen Film über Quereinsteiger*innen in der Schule gesehen. Ich war schon sensibilisiert, da bei mir im Coaching bereits einige Quereinsteiger*innen gelandet sind. Das Zusammenarbeiten mit ihnen hat mich neugierig gemacht, wie die Situation der Quereinsteiger*innen in Deutschland überhaupt aussieht.
Jedes Bundesland geht anders mit dem Thema um
Und da bin ich so von Film zu Film gestolpert und mir wurde klar, dass das Thema Quereinsteiger*innen in Deutschland von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Und ehrlich gesagt habe ich von Film zu Film immer mehr gedacht: Die armen Quereinsteiger*innen, oft hochprofessionelle Akademiker*innen auf ihren Gebieten, die sich aus unterschiedlichen Gründen entscheiden, den Weg als Lehrer*in einzuschlagen und sicher eine Menge spannende Inhalte, Geschichten und Begeisterung aus ihren Fachgebieten mitbringen. Schade, dass man sich so wenig Mühe mit ihrer Ausbildung gibt.
Es wurde gezeigt, dass die Quereinsteiger*innen, einfach weil die Not an einigen Schulen so groß ist, von Anfang an mit voller Stundenzahl unterrichten müssen und darauf kaum oder gar nicht vorbereitet werden.
Wie ist es in NRW?
Hier in NRW haben wir es ja noch ganz gut getroffen, wenn man das unter diesen Umständen sagen kann. Hier müssen die "Neuen" zwar auch sofort unterrichten und zwar in vielen verschiedenen Klassen, das reicht im Gymnasium oder der Gesamtschule oft von der 5. bis zur 10. Klasse, womöglich sogar bis zur 12., aber wenigstens werden sie nach drei Monaten in die Referendarausbildung eingereiht - zumindest ein bisschen - wenn sie auch nicht so viel Unterstützung erhalten wie "normale" Referendare. Und man mehr von ihnen erwartet, weil sie ja schon "gestandene Fachkräfte" sind.
Ein Quereinstieg ist mutig!
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich es ganz mutig finde so an die Schule zu gehen und die Herausforderung anzunehmen. Und ich bin ganz sicher, dass die meisten auf Dauer auch ihren Weg finden. Dennoch ist der Start ungleich schwerer und das zeigten auch die Filme, die ich gesehen habe. Manche Quereinsteiger*innen fühlten sich so überfordert, dass sie nach einem Jahr wieder aufhörten.
Und das muss doch nicht sein! In einem Land, das angeblich die Bildung so hochhält, muss uns doch die Lehrerausbildung etwas wert sein. Und wenn wir es schon nicht geschafft haben, genug Menschen rechtzeitig zu motivieren ein Lehramtsstudium aufzunehmen und deshalb darauf angewiesen sind, dass Nicht-Lehrer*innen unsere Schüler*innen unterrichten, dann muss ich den Quereinsteiger*innen doch das Handwerkszeug mitgeben, diese Situation auch bewältigen zu können.
Meine Geschichte dazu - auch erstmal eine Art Seiteneinstieg
Wenn ich das vergleiche mit meiner eigenen Geschichte, dann kann ich nur sagen, dass ich es viel leichter hatte. Obwohl ich auch angefangen habe zu unterrichten ohne Lehramtsausbildung, nämlich zur Zeit der Wende an einer Privatschule in Berlin. Aber in der Erwachsenenbildung. Ich habe die Fächer Bürowirtschaft und Kaufmännisches Rechnen unterrichtet und ich habe das so gemacht, wie ich es selbst in der Schule erlebt hatte: Frontal, fragend-entwickelnd, mit Tafelbildern. Die "Schüler*innen", ehemalige Bürger*innen der DDR, waren ganz zufrieden mit mir, jedenfalls gab es wenig Beschwerden.
Lauter modische Wörter: Handlungsorientierung und die 4 Ks
Aber als ich dann ins Ref kam, da lernte ich erst einmal, dass die Idee, allen Unterricht von vorne zu gestalten, viel vorzutragen, maximal im Frage-Antwort Spiel mit den Schüler*innen den Stoff zu erarbeiten, nicht dem Stand der Zeit entspricht. Und das leuchtete mir ein. Trotzdem dauerte es Jahre für mich - und ich bin noch immer nicht damit fertig - zu begreifen und vor allem umzusetzen, was das große Zauberwort meiner Lehrerausbildung in der Umsetzung bedeutet: Handlungsorientierung.
Heute ist das wichtiger denn je: Die Schüler*innen müssen lernen selbstständig und selbstverantwortlich zu arbeiten. Mit den 4 Ks, die gefördert werden sollen: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und Kritisches Denken.
Und diese Art von Unterricht kann man nicht aus sich selbst heraus entwickeln, dazu bedarf es der Anleitung.
Es mag Naturtalente geben, die einfach so in den Unterricht gehen und das Talent haben, die Schüler*innen in ihrem eigenständigen Arbeiten zu fördern und sich nicht auf den guten alten Frontalunterricht zu verlassen. Aber ich vermute, dass es nicht die meisten sind.
Die grundsätzlichen Fragen
- Wie lege ich eine Unterrichtsstunde von der Struktur her an?
- Wie kann ich einsteigen, das Interesse der Schüler*innen wecken?
- Was mache ich bei Unterrichtsstörungen?
- Wie kann ich die Schüler*innen zu selbstorganisiertem Lernen anleiten?
- Wie differenziere ich? Nach welchen Kriterien?
- Wie mache ich meinen Unterricht spannend und abwechslungsreich?
- Welche Methoden kann ich anwenden?
- Gibt man noch Hausaufgaben?
- Was sind Wochenaufgaben?
- usw.
müssen beantwortet werden. Die Quereinsteiger*innen brauchen ihnen wohlgesonnene Mentoren mit Zeit für Unterstützung (Entlastungstunden).
Die Kapazitäten an den Schulen für diese Unterstützungstätigkeiten sind rar und müssen aufgestockt werden.
Wie gut hatte ich es da
Ich durfte die ersten drei Monate meines Refs hospitieren. In verschiedenen Fächern, bei verschiedenen Lehrern, in verschiedenen Klassen. Ich konnte langsam eine Vorstellung entwickeln, was zeitgemäßer Unterricht bedeutet. Und dann hielt ich meine ersten Stunden unter Anleitung. Der Ausbildungslehrer half mir bei der Vorbereitung und besprach die Stunde nachher mit mir. Selbstständig unterrichtet im Rahmen des BDU (bedarfsdeckenden Unterrichts) habe ich erst nach einem halben Jahr und dann waren es vier Stunden. Ich konnte mich langsam entwickeln, hatte Ansprechpartner*innen, konnte mich eingewöhnen.
Das wünsche ich mir auch für die Quereinsteiger*innen. Sie unterrichten unser höchstes Gut: Unsere Kinder!
In diesem Sinne ein schönes Wochenende allerseits
Ihre Ute Matthias
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