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(Quer) Einsteiger*innen in der Schule: Tipp 4 - Differenzierung leicht gemacht

Was ist Differenzierung im Unterricht und wie erreicht man sie?

 

Wenn ich vor meiner Zeit als Moderatorin an Differenzierung gedacht habe – oft mit schlechtem Gewissen, weil ich wusste, ich soll individuell fördern und dazu ist Differenzierung nötig – dann sah ich mich in einem Berg von Papieren sitzen. Ich sah mich nicht ein Arbeitsblatt vorbereiten für eine Unterrichtseinheit, sondern drei. Für drei unterschiedliche Lernniveaus. Also jedes Mal, wenn ich ein neues Thema vorbereiten muss, wird mich das in Zukunft die dreifache Zeit kosten, mindestens. An dieser Hürde scheiterte ich meist und ließ meine Unterlagen dann noch ein Jahr undifferenziert. In der Hoffnung, im nächsten Jahr mehr Zeit und Inspiration für die Differenzierung zu haben.

 

Eine erste Wende zeichnete sich für mich ab, als ich von einer Kollegin das Büchlein „99 Tipps Differenzieren im Unterricht“ erhielt und erstmalig begriff, dass das Herstellen dreifacher Materialien für den Unterricht nicht die einzige Möglichkeit ist, zu differenzieren. Sondern dass es im Gegenteil 1000 Möglichkeiten gibt und zwar kleine und große. Aufwändige und weniger aufwändige. Und kaum aufwändige. Mit diesem Wissen habe ich mich dann getraut, Dinge auszuprobieren.

 

Zu Beginn fand ich es hilfreich von einem Phasenmodell im Unterricht auszugehen und zunächst einmal nur einzelne Phasen zu differenzieren.

 

Suchen Sie sich also eine Phase aus, und beginnen Sie dort mit der Differenzierung. Nur eine!

 

Zum Beispiel den Einstieg: SchülerInnen erhalten ein Mindmap zum kommenden Themengebiet und diagnostizieren, was sie bereits kennen und wo ihnen noch Kenntnisse fehlen. Oder nach Lesen der Problemstellung werden durch Brainstorming erst einmal in Einzelarbeit Fragen, Ideen und Lösungsansätze gesammelt, diese werden in Partner- oder Gruppenarbeit ausgetauscht und diskutiert, man einigt sich auf eine bestimmte Anzahl und trägt diese am Ende mit Hilfe der Karten im Plenum vor.

 

In der Erarbeitungsphase wird die Methode Paarlesen angewendet, um einen Text gemeinsam zu erarbeiten und zu Durchdringen. Oder man kann frontale Unterrichtssituationen mit kooperativen Phasen mischen.

 

Die Präsentation der erarbeiteten Unterrichtsinhalte kann durch einen Museumsgang erfolgen oder auch durch theatrale Methoden (wie z.B. Standbild).

 

Die Sicherungsphase könnte beispielsweise durch eine Gruppenrallye erfolgen.

 

Eine abschließende Reflexionsphase der eigenen Arbeit und des Wissenszuwachses sowie evt. Lücken durch z.B. die Vier-Ecken-Methode sowie ein Schüler-Feedback zum Unterricht können den Unterricht abrunden und ermöglichen auf beiden Seiten eine Weiterentwicklung.

 

Wie kann ich anfangen mit der Differenzierung?

Für mich war wichtig: Man kann klein anfangen. Nur eine Phase differenzieren. Nur eine Methode zum individuellen Lernen anwenden. Am besten die, die einem spontan am meisten zusagt. Anfangen ist wichtig. Nicht alles auf einmal wollen, kleine Schritte sind möglich und in Ordnung und bringen auch weiter.

 

Hat man einmal Spaß gefunden an dieser Art des Unterrichts, kann man einen Schritt weiter gehen und darüber nachdenken, welche Methoden man selbst bevorzugt und warum. Man wird herausfinden, dass der eigene Lehrstil von der eigenen Persönlichkeit geprägt ist. Dann ist auch unmittelbar einleuchtend, dass auch die SchülerInnen ihren eigenen Lernstil haben. Der kann vom eigenen Lehrstil abweichen oder auch deckungsgleich sein. Gibt man den SchülerInnen durch Differenzierung die Möglichkeit, ihrem eigenen Lernstil entsprechend zu lernen, so ist das möglicherweise die Königsdisziplin der Differenzierung.

 

Motivierend fand ich diese Idee: „Entwickeln Sie zu einem Thema Ihrer Wahl eine Landkarte mit unterschiedlichen Lernwegen, die zu dem von Ihnen angepeilten Ziel führen und kennzeichnen Sie die Wege durch Indikatoren. Nummerieren Sie die unterschiedlichen Wege ihrem Schwierigkeitsgrad entsprechend. Welcher Weg eignet sich für welchen Schüler aus Ihrer Lerngruppe? Schreiben Sie die Namen zu den jeweiligen Lernwegen. Überprüfen Sie dann gemeinsam mit Ihren Schülern, ob die Wahl des Lernweges passend war.“

 

Das ist aufwändig, ich weiß. Ich würde es auch nicht für jede Klasse und jede*n Schüler*in machen. Aber die grundsätzliche Idee von vorneherein zu überlegen, welche Lernwege zum Ziel führen können und diese einzuzeichnen finde ich gut. Ich würde allerdings meine Schüler*innen motivieren, den eigenen Lernweg dann selbst auszuwählen. So kann er/sie sich auch immer besser selbst kennenlernen. Und weiß mit der Zeit genau, welche Lernwege zu ihm passen und welche eher nicht.

 

Aber so individuell wie unsere Schüler*innen, sind auch wir Lehrer*innen. Und so muss jede*r Lehrer*in vielleicht seinen individuellen Zugang zur Differenzierung finden. Das Ziel ist uns allen gemeinsam, der Weg kann unterschiedlich sein.

 

Im nächsten Beitrag geht es dann um eine konkrete Stunde mit Differenzierung, klein angefangen ;-)).

 

Wie sind Ihre eigenen Ansprüche an die Differenzierung in Ihrem Unterricht?

 

Wo hätten Sie sich vielleicht als Schüler*in Differenzierung gewünscht?

 

Spannend mal darüber nachzudenken!

 

Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende

Ihre Ute Matthias



Literatur: 

Liane Paradies und Hans-Jürgen Linser: Differenzieren im Unterricht, Cornelsen, 2017

Sorrentino, Linser, Paradies: 99 Tipps Differenzieren im Unterricht, Cornelsen, 2012.

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