· 

Soll ich Lehrer*in werden? - Ein Tag im Leben einer Lehrer*in

Wie schon im letzten Blogartikel angekündigt, kommt hier ein Beitrag über einen typischen Tag von mir in der Schule  - auf besonderen Wunsch meiner Klientin, Frau Viguié.

 

Es ist Montagmorgen.

Um halb acht treffe ich in der Schule ein, im Lehrerzimmer empfängt mich eine Kollegin mit der Frage, wann für unsere gemeinsame Klasse die Noten eingetragen werden müssen. Während ich versuche im Terminplan auf itslearning herauszufinden, wann dieser Termin ist, krame ich parallel in meinen Unterlagen, die ich noch vor dem Unterrichtsbeginn um 8 Uhr zum Kopierer bringen muss. Digitaler als vor Corona sind wir in jedem Fall, aber es gibt immer noch viele Berufsschulklassen ohne Endgeräte und so gibt es auch immer noch genug Anlass zu kopieren. 

 

Ich gehe schnell zum Kopierer, da besonders am Montagmorgen sich dort gerne eine Schlange bildet, da die Kollegen*innen sich übers Wochenende oft neue Inhalte überlegt haben. Und manch einer kopiert vielleicht auch direkt für die ganze Woche. 

 

On the way zur ersten Unterrichtseinheit

Kurz vor acht bin ich wieder im Lehrerzimmer, sammle meine Sachen ein (zu Coronazeiten auch die Tests, den Müllbeutel dafür und das Desinfektionsmittel), hole das Klassenbuch und mache mich auf den Weg in die erste Klasse, eine Großhandelsklasse Oberstufe, Wirtschafts- und Sozialprozesse. Wiederholung ist angesagt, die Schüler*innen haben Vorträge und Erklärfilme vorbereitet, die wir uns anhören und ansehen. Ich habe dies als Klausurersatzleistung gewählt, da ich es sinnvoll fand einen Pool von Zusammenfassungen arbeitsteilig erstellen zu lassen, sodass es alle einfacher haben, sich auf die Prüfung vorzubereiten. Die Stunde dauert 90 Minuten, dann ist für uns alle Pause angesagt. Ich mache mich auf den Weg zurück zum Lehrerzimmer, die Pause beträgt - einschließlich Weg - 15 Minuten.

 

Im Lehrerzimmer angekommen, trinke ich schnell ein Glas Wasser - essen und trinken im Klassenzimmer sind nicht angesagt und Lehrer*innen haben Vorbildfunktion. Ein, zwei Apfelschnitze passen auch noch in die Pausenzeit - allerdings muss man - wie eine Kollegin von mir immer sagt - entscheiden, ob man lieber zur Toilette gehen will oder etwas essen ;-). Ein kurzes Tischgespräch mit Kollegen*innen passt auch noch rein, dann machen wir uns alle wieder auf den Weg. 

 

Und weiter geht's in die zweite Einheit

Die nächsten 90 Minuten verbringe ich mit der Höheren Handelsschule, auch eine Oberstufe, die kurz vor der Prüfung steht. Der Stoffkatalog ist so voll, dass wir noch nicht fertig sind, obwohl es nicht mehr viel Zeit bis zur Prüfung ist. Wir sind bei der Kosten- und Leistungsrechnung und der Betriebsabrechnungsbogen steht auf dem Programm. Der Unterricht läuft relativ konzentriert ab so kurz vor der Prüfung, es sind auch nicht mehr allzu viele Schüler*innen, die es aus der Klasse bis zu diesem Punkt geschafft haben, 14 sind noch da von ursprünglich 22.

 

Der Unterricht wechselt zwischen Phasen, in denen ich erkläre und Phasen, in denen die Schüler*innen selbstständig an Aufgaben arbeiten. Es ist relativ leise, aber die Arbeit geht nicht allzu zügig voran. Dennoch schaffen wir das Pensum des Tages bis zum Klingeln. 

 

Eine Freistunde

Jetzt kann ich mich ein bisschen entspannen, da ich in der 5. Stunde eine Freistunde habe. Ich trödle beim Runtergehen ins Lehrerzimmer und hole mir einen Kaffee am Büdchen, um mich damit ein bisschen auf den Schulhof zu setzen. Ein netter Kollege hat uns eine schöne Bank spendiert, bevor er in den Ruhestand gegangen ist. Dort sitze ich einfach nur und genieße die Ruhe. Später gehe ich wieder hinein und erledige ein bisschen Verwaltungsarbeit. Es gibt immer etwas zu tun: Entschuldigungen eintragen, Klassenbücher kontrollieren, die Vollständigkeit der Ausbildungsverträge überprüfen und all so hübsche Dinge. 

 

Dann geht es weiter in die 6. Stunde

... diese verbringe ich in einer weiteren Großhandelsklasse in der Mittelstufe, selbes Fach, WiSo, aber anderes Thema. Die Großhandelsberufe wurden novelliert und so unterscheiden sich die Lehrpläne der "neuen" von den "alten" Großhändlern. Wir sprechen über Bezahlverfahren, gehen von eigenen Erfahrungen beim Bezahlen online und im Geschäft aus und schlagen dann den Bogen zum Ausbildungsbetrieb und den üblichen Bezahlverfahren dort.  In dieser ersten Stunde sammeln wir erst einmal das Vorwissen und die Schüler*innen haben ein großes Repertoire an Bezahlverfahren, die sie benennen und erklären können. In der nächsten Stunde werden wir dann mit einem Gruppenpuzzle einzelne Verfahren vertiefen.

 

Die Einzelstunde ist schnell um und bevor es in die Endrunde geht, esse ich schnell meine Stulle im Lehrerzimmer und das mitgebrachte Obst und Gemüse. Seit einiger Zeit gibt es bei uns auch eine Art Kantine mit sehr leckerem Essen für Lehrer*innen und Schüler*innen, aber wenn ich ein warmes Mittagessen esse, dann werde ich immer so müde. Aber gut finde ich es trotzdem, dass es diese Möglichkeit gibt. 

 

Endspurt

Meine letzte Klasse an diesem Tag ist eine Gymnasiale Oberstufe, kurz vor dem Abitur - ich habe in diesem Jahr viele Abschlussklassen. Wir arbeiten an einer Datenbank, die Schüler*innen lernen weitgehend selbstständig mit Arbeitsunterlagen von uns SQL - eine Datenbankabfragesprache. Ab und an besprechen wir die Lösungen an der Tafel, d.h. einzelne Schüler*innen tragen ihre Lösungen vor und es wird gemeinsam überlegt, ob diese effizient und richtig sind und welche Alternativen es vielleicht noch gibt. 

 

Es klingelt um 14.55 Uhr, die Schüler*innen sind ebenso erschöpft wie ich und beeilen sich, die Rechner herunterzufahren und nach Hause zu kommen. Ich bleibe noch eine paar Minuten sitzen, sehe mir einzelne Datenbanken der Schüler*innen auf meinem Lehrer*innengerät an und sehe wie sie zurechtgekommen sind. Dann gehe ich auch nach Hause. Immerhin 60-90 Minuten Weg, je nach Verkehrslage. 

 

Zuhause

Zuhause angekommen gibt es Mittagessen und dann bin ich völlig erschlagen und lege mich für ein Mittagsschläfchen auf das Sofa. Gegen 18 Uhr geht es dann noch einmal ins Arbeitszimmer, um den nächsten Tag vorzubereiten. 

 

Am Wochenende nehme ich mir Samstags frei, irgendwann muss ja auch mal Haushalt gemacht werden und ein bisschen Freizeit braucht es auch. Sonntags arbeite ich ab Mittag - je nachdem, wie viel zu tun ist. 

 

Anders als gedacht?

Ich denke, der Arbeitstag ist anders als viele vermuten und oft auch sehr anstrengend. Manchmal gibt es noch Konferenzen im Anschluss an den Unterricht: Lehrerkonferenz, Bildungsgangkonferenz, Zeugniskonferenz, Schulentwicklungssitzung ...

 

Aber ich mag meine Arbeit dennoch, weil sie einfach in vielen Teilen zu mir passt: 

  • Ich habe viel Abwechslung: Jeder Tag ist anders - mal kürzer, mal länger, ich habe verschiedene Bildungsgänge (Vollzeit, duale Ausbildung), ich habe verschiedene Fächer. Wenn sich der Unterrichtsstoff wiederholt, dann muss ich ja nicht dasselbe noch einmal machen, ich kann andere Texte, andere Methoden wählen. 
  • Ich kann meine Stundenzahl variieren, was besonders als meine Kinder klein waren, sehr hilfreich war. Das führt unter Umständen auch zu einem freien Tag in der Woche, was viele ja sehr attraktiv finden. 
  • Ich bin relativ frei in der Gestaltung meines Unterrichts. Der Stoffplan liegt zwar fest, aber die Methode nicht, die Reihenfolge kann teilweise auch variiert werden, ich kann differenzieren, neue Medien ausprobieren.
  • Ich habe einen sehr sicheren Job mit einem mittleren Einkommen. Ich muss mir also keine Sorgen um Arbeitsplatzsicherheit machen. 
  • Ich habe die Möglichkeit als Moderatorin für die Bezirksregierung in der Lehrerfortbildung zu arbeiten, was nach langen Jahren reinen Unterrichtens eine große Bereicherung für mich ist. 

Selbstverständlich gibt es auch Tage, die ich total ätzend finde. Und es gibt Anteile im Lehrerberuf, die mir total widerstreben. Aber gibt es die nicht in jedem Beruf?

 

Wenn Sie sich fragen, ist der Lehrerberuf etwas für mich, dann sind meiner Meinung nach die wesentlichen Fragen:

  • Was wünsche ich mir von meinem Beruf? Was ich wichtig für mich? Was mag ich überhaupt nicht?
  • Was bin ich für ein Persönlichkeitstyp? Passt meine Persönlichkeit zu diesem Beruf? Was wird mir leichter fallen und was vielleicht schwerer?
  • Mag ich Kinder? Jugendliche? Junge Erwachsene?

In NRW gehen heute die Osterferien zu Ende. Am Montag starte ich wieder, das mündliche Informatikabitur kommt, die schriftliche Abschlussprüfung in der Höheren Handelsschule, eine Moderatorenfortbildung ... also langweilig wird es definitiv nicht, das kann ich versprechen ...

 

In diesem Sinne, ein wunderschönes Wochenende und einen guten Start an alle!

Freundliche Grüße

Ute Matthias

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0